Wie wird Wein im Kvevri hergestellt?
Seit den bahnbrechenden archäologischen Funden aus dem Jahr 2017 ist es, zumindest nach heutigem Wissensstand, klar: Das Gebiet des heutigen Georgiens ist die Wiege des Weins. Nirgendwo sonst auf der Erde wurden bislang ältere Spuren von Weinherstellung gefunden als im kleinen südkaukasischen Land.
Seit mindestens 8’000 Jahren verarbeiten die Menschen in dieser Region also Trauben zu Wein, und zwar in Tonamphoren. Wie das funktioniert, was die Winzer beachten müssen, und welches die Vor- und Nachteile von Amphorenwein sind, das alles erfährst du jetzt.
Hygiene im Keller, Vorsicht beim Pressen
Der Grossteil dessen, was den Wein als Endprodukt ausmacht, passiert im Rebberg. Darauf gehen wir in einem anderen Artikel ein. Heute konzentrieren wir uns darauf, was nach der Traubenlese passiert.
Im Weinkeller lautet das oberste Gebot Hygiene. Nicht nur die Kvevris müssen penibel saubergemacht werden, sondern auch alle anderen verwendeten Geräte, mit denen die Trauben oder die Maische in Berührung kommen wie Presse oder Schläuche.
Wenn nun die Trauben – und das muss so schnell wie möglich passieren – im Keller ankommen, werden sie umgehend zerkleinert resp. gepresst. Hier gilt Qualität vor Quantität: Es ist wichtig, die Trauben schonend, mit moderatem Druck, zu pressen und so wenig Traubenkerne wie möglich zu zerstören, um nicht ungewünschte Stoffe und Aromen freizusetzen.
Die Maische wird in das Kvevri geleitet, welches maximal 80% gefüllt wird. Wird nämlich zu viel Maische ins Kvevri gefüllt, kann es während des Gärprozesses überschäumen und überlaufen.
Alkoholische Gärung mit natürlichen Hefen
Nach 1-2 Tagen beginnt der Prozess der alkoholischen Gärung. Dabei wandeln Hefekulturen den in der Maische vorhandenen Zucker in CO2 und Alkohol um. Einige Winzer lösen diesen Prozess aus, indem sie Reinzuchthefen aus dem Labor hinzufügen. Unser Rebberg ist so gesund, dass wir problemlos die Hefen arbeiten lassen können, die natürlich im Rebberg und damit auf unseren Trauben sitzen. Das können jedes Jahr andere Kulturen sein, was dem Wein immer wieder eine andere Note verleiht.
Während ca. einer Woche findet die sogenannte intensive Gärung statt. Die Maische erwärmt sich, es steigen sichtbar als Schaum grosse Mengen an Kohlendioxid auf, es zischt und sprudelt im Kvevri. Die Intensität nimmt danach ab, der Prozess geht in die langsame Gärung über. Während der gesamten alkoholischen Gärung drücken wir den Tresterhut mit einem speziellen Werkzeug aus Holz regelmässig nach unten, damit der Tresterhut nicht austrocknet und oxidiert. Wir regeln auf diese Weise auch die Temperatur und aktivieren die Hefen.
Ab einem bestimmten Punkt, wenn der Alkoholgehalt ein bestimmtes Mass erreicht hat oder wenn kein Zucker mehr vorhanden ist, sterben die Hefekulturen ab und sinken zu Boden.
Die alkoholische Gärung ist nun abgeschlossen, und im Kvevri befindet sich Wein. Der Prozess geht aber weiter. Als nächstes entscheidet der Winzer, ob er den Wein weiterhin auf der Maische oder einem Teil davon lassen oder ob er ihn von der Maische trennen will. In unserem Beispiel entscheiden wir uns für letzteres und pumpen die Flüssigkeit mit einer Weinpumpe ab. Wir geben den Wein in ein kleineres Kvevri, das wir komplett füllen.
Es folgt der biologische Säureabbau
Nun verschliessen wir das Kvevri, allerdings nicht hermetisch. Denn es ist wichtig, dass Gärgase weiterhin entweichen können. Nach der alkoholischen Gärung beginnt der biologische Säureabbau, auch bekannt als malolaktische Gärung, obwohl es sich biologisch gesehen eigentlich nicht um eine Gärung handelt. Beim biologischen Säureabbau wird die etwas strenge Apfelsäure in mildere Milchsäure umgewandelt, Kohlendioxid wird freigesetzt.
Während die malolaktische Gärung in Europa fast nur bei Rotweinen angewendet und bei Weissweinen bewusst unterdrückt wird, um die Säure zu behalten, lassen wir sie bei unseren Rot- und Weissweinen geschehen.
Sobald kein Kohlendioxid mehr entweicht, verschliessen wir das Kvevri bis im darauffolgenden Frühling hermetisch.
Über den Winter hat der Wein eine natürliche Filtrierung durchlaufen. Alle Sedimente sammeln sich nun am Boden des Kvevris an. Wir pumpen den Wein erneut in ein anderes Gefäss um, wo wir ihn mindestens weitere sechs Monate reifen lassen, bevor wir ihn abfüllen. Mit dem Rotwein lassen wir uns sogar ein bis zwei Jahre Zeit.
Die Vorteile der Weinherstellung im Kvevri
Die Produktionsmethode im Kvevri bietet diverse Vorteile. Da das Gefäss in die Erde eingegraben ist, herrschen auf natürliche Weise konstante Temperaturen. Energie konsumierende Wärme- und Kühlgeräte sind nicht nötig, weswegen Weine aus dem Kvevri eine bessere Umweltbilanz aufweisen. Die konstanten Temperaturen haben natürlich auch einen höchst positiven Einfluss auf den Wein, ebenso wie die poröse Beschaffenheit und die konische Form der Amphoren.
Der vergleichsweise lange Kontakt mit der Maische, bei dem viele Gerbstoffe freigesetzt werden, sorgt dafür, dass der Wein auf natürliche Weise stabil bleibt – ohne dass wir ihm irgendwelche Substanzen zur Konservierung beimischen müssen.
Die Tatsache, dass wir nicht nur unsere Rot-, sondern auch unsere Weissweine auf der Maische vergären, verleiht ihnen Farben, die in Europa mehrheitlich unbekannt sind: Das Spektrum reicht von bernsteinfarben über orange bis fast zu braun. Doch nicht nur Farbstoffe, auch ein breites Spektrum an Tanninen und anderen Phenolen wie den gesundheitsfördernden Procyanidinen gelangen in den Wein.
Fazit: Für den europäischen Gaumen mögen die kachetischen Weine, besonders die weissen, anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig sein. Hat man sich aber erstmal in sie verliebt, gibt es meist kein Zurück mehr. Sie sind aromatischer, vielschichtiger, spannender, und dank ihrer Natürlichkeit viel gesünder als die europäischen und die industriell hergestellten Weine.